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Lecornu kämpft erneut mit Sparzwang und Misstrauensvotum
Der von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron überraschend ins Amt zurückgeholte Premier Sébastien Lecornu will die akute Politikkrise überwinden und einen Haushalt für das hoch verschuldete Land aufstellen. «Ich habe keinen anderen Ehrgeiz, als uns aus dieser Situation zu befreien, die objektiv gesehen für alle sehr schwierig ist», sagte Lecornu im Pariser Vorort L'Haÿ-les-Roses. «Und dann helfen mir entweder die politischen Kräfte dabei und wir arbeiten zusammen – oder sie tun es nicht.»
Über das Wochenende muss Lecornu ein Kabinett zusammenstellen. «Ich denke, wir brauchen eine Regierung, die auch der parlamentarischen Realität entspricht. Das ist unverzichtbar, das ist Demokratie.»
Trotz des guten Abschneidens linker Parteien bei der Parlamentswahl 2024 hatte Macron mehrfach Regierungschefs ernannt, die dem linken Lager fernstehen – so auch Lecornu. Sie mussten wegen fehlender Mehrheiten aufgeben. Auch in den Regierungen war das linke Lager praktisch nicht vertreten. Dies will Lecornu nun wohl ändern.
Rückkehr aus Pflichtbewusstsein
Seine überraschende Rückkehr begründete Lecornu mit Pflichtbewusstsein und der akuten Krise. Nach seinem Rücktritt am Montag habe er zwar erklärt, dass seine Mission beendet sei, sagte der Politiker. Aber da die Einbringung eines Haushalts dränge, habe er sich umentschieden. Es habe auch nicht viele andere Kandidaten für das Amt des Regierungschefs gegeben.
Bereits am Montag muss Lecornu nach einer Sitzung seines frisch formierten Kabinetts den Haushalt fürs kommende Jahr einbringen. So ist es vorgeschrieben, wenn das Budget für das hoch verschuldete Land noch rechtzeitig in diesem Jahr in trockene Tücher kommen soll. Misslingt der Versuch, würde das hoch verschuldete und politisch wie wirtschaftlich ohnehin gelähmte Land noch stärker blockiert.
Zuvor waren bereits seine beiden Vorgänger im Amt des Premierministers am Streit über den Haushalt gescheitert: Michel Barnier musste infolge eines Misstrauensantrags seinen Hut nehmen, François Bayrou verlor eine Vertrauensfrage.
Lecornu droht Misstrauensvotum
Und auch Lecornu droht bereits Anfang der Woche ein Misstrauensvotum der Opposition. Frankreichs Linkspartei La France Insoumise (LFI) und das rechte Rassemblement National (RN) kündigten ein entsprechendes Votum unverzüglich an. Ob Lecornu die Abstimmung, die schon am Donnerstag anstehen könnte, übersteht, ist offen. Die Sozialisten wollten die neue Regierung nur dulden, wenn Lecornu weitreichende Zugeständnisse macht. Die Konservativen erklärten, sich an der Regierung nicht mehr zu beteiligen, diese aber bei Gesetzesvorhaben unterstützen zu wollen.
Ein Gelingen von Lecornus zweiten Start wird auch als Macrons letzte Chance angesehen, seiner bis 2027 laufenden zweiten Amtszeit neuen Schwung zu verleihen. Er ist in der jüngsten Krise verstärkt in die Kritik auch aus den eigenen Reihen geraten und die Opposition fordert seinen Rücktritt.
Streitthema Rente wird wieder diskutiert
Auf die Regierung kommt nach dem Haushalt gleich ein weiteres Streitthema zu. Auf Druck des linken Lagers hat Präsident Macron eine Verzögerung von Teilen seiner Rentenreform in Aussicht gestellt. Der Opposition dürfte das nicht reichen, während viele im Regierungslager angesichts der sich türmenden Staatsschulden und des enormen Spardrucks keine kostspieligen Abschwächungen der Reform vornehmen wollen. «Alle Debatten sind möglich, wenn sie einen realistischen Rahmen haben», sagte Lecornu.
Seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 ist Frankreichs Parlament in unterschiedliche politische Blöcke geteilt, die jeweils keine regierungsfähige Mehrheit besitzen, aber auch keine tragfähigen Bündnisse bilden und sich gegenseitig blockieren. Koalitionen wie etwa in Deutschland sind in Frankreich unüblich.
Frankreich tief in den roten Zahlen
Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. Auch die Staatsausgaben gehören zu den höchsten in Europa. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.
Nötig scheint also ein Haushalt mit erheblichen Einsparungen - aber das zerstrittene Parlament ist uneins, ob die Finanzen mit weiteren Einschnitten oder neuen Steuern etwa für besonders Wohlhabende wieder ins Lot gebracht werden sollen.