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Etwas Salz, viel Seele – Wie ein Kochkurs Witwern Mut macht

10.06.2025, 05:06

Manchmal geht Hoffnung durch den Magen. Der Mann, der sich für einen Moment an den Tisch gesetzt hat, wirkt still. Wie ein Beobachter. Nach wenigen Minuten notiert er etwas. Sorgfältig, fast akribisch.

«Beim letzten Mal habe ich nichts aufgeschrieben», sagt er und lächelt verlegen, «da wusste ich zu Hause nicht mehr – waren es zwei Eier oder drei?» Ein Satz, fast beiläufig. Und doch erzählt er alles: von einem Leben, das aus der Spur geraten ist, und vom Versuch, es ein Stück weit in Ordnung zu bringen.

In einer Lehrküche begegnen sich in Ludwigshafen einmal im Monat Männer, die mehr verbindet als Kochen: der Tod der geliebten Ehefrau. Es wird erzählt, erinnert, gelacht. Der Förderverein Hospiz und Palliativ hat ein besonderes Angebot ins Leben gerufen: einen Kurs, der nicht nur Fertigkeiten in der Küche vermittelt, sondern auch Raum zum Austausch bietet.

Ein Stemmen gegen die Leere

Offiziell heißt der Termin «Das Leben wieder schmecken: Kochkurs für trauernde Männer». Doch was hier passiert, ist mehr als das Aneignen von Küchentechnik. Es ist ein Stemmen gegen die Leere, die einzieht, wenn ein geliebter Mensch stirbt.

«Ich hätte meiner Frau öfter zur Seite stehen sollen», sagt einer der Witwer. Er trägt den Ehering seiner Frau am kleinen Finger. Nicht aus Sentimentalität, sondern weil es sich richtig anfühlt. «So habe ich sie immer bei mir», sagt der 74-Jährige. Seine Stimme ist ruhig, als er die Lasagneplatten in die Auflaufform legt. Früher hat er nie gekocht. «Sie hat das gemacht. Ich habe nur gegessen.» Heute ist das anders, heute kocht er. Für sich, für die Gruppe.

Viele Sätze beginnen mit «Sie hat immer» oder «Früher haben wir». Die Abwesenheit der Partnerin ist zu spüren. Nicht so sehr als stechender Schmerz – eher als begleitende Erinnerung. Die Männer sprechen über ihre Frauen: ohne Pathos, mit Wärme. Bisweilen ist da eine Träne, vor allem an Jahrestagen.

«Am schwersten ist es abends, wenn man allein zu Hause sitzt», sagt einer. Ein anderer erzählt, wie er die Kleiderschränke ausgeräumt hat, um das Haus ein wenig mehr «auf sich einzustellen». Zwischendurch wird gerührt, gewürzt, probiert. In einen seltenen Moment der Stille hinein sagt einer leise: «Das kann alles entscheiden.» Er meint den Geschmack der Muskatnuss.

Eine Träne an Jahrestagen

An diesem Abend lernen die Männer, wie man eine Béchamelsauce rührt. Gekocht wird Lasagne. Eine davon macht Küchenchefin Renate Ladwig, die Zweite bereitet die Gruppe zu. «Denn wer kocht schon Lasagne nur für sich?», fragt einer nur halb im Ernst. Eine Lasagne für eine Person – das macht keiner. Aber eine Lasagne für sechs? Das ist fast eine Einladung zurück ins Leben.

Der Herd ist Dreh- und Angelpunkt einer Gemeinschaft, die sich gegenseitig auffängt. Für ein Leben, das weitergeht, auch wenn es anders geworden ist. «Wir machen hier kein Sterne-Menü», sagt Kursleiter Dietmar Breininger, der aus der Trauerbegleitung kommt. «Es geht darum, mit dem, was da ist, etwas zu machen.» Ein Ei, etwas Mehl, ein paar Worte – mehr braucht es nicht, um eine Verbindung herzustellen. Neulich gab es Pfannenkuchen.

«Ich bin kein Spitzenkoch geworden», sagt einer bescheiden. «Aber einfache Speisen – die kann man schon nachmachen. Vielleicht sogar als Mann.» Die ironische Bemerkung bringt alle zum Lachen. Keiner bleibt außen vor. Manche brauchen länger, um sich zu öffnen. Andere erzählen schnell: von ihrer Frau, von ihrer Jugend, von der Stille daheim. Sie fügen gemeinsam etwas zusammen, das kein Kochbuch kennt: ein neues Leben nach dem Verlust.

Was kein Kochbuch kennt

Die Zusammenarbeit klappt gut. «Die Hitze so auf halber Stufe», ruft einer. Ein anderer sagt: «Etwas Salz. Und schwarzen Pfeffer. Schmeck mal ab». Auch Breininger macht mit. «Aufpassen, dass es nicht klumpt», ruft er. «Der Kurs läuft seit März 2024», erzählt der Leiter. «Im Prinzip haben wir sechs Plätze. Man kann es auf sieben oder acht ausweiten, aber wir wollen es im Rahmen halten.»

Leise fragt Küchenchefin Ladwig einen Teilnehmer: «Was hat deine Frau denn gerne gekocht?» Plötzlich wird aus einem Rezept ein Erinnerungsalbum. Und aus dem Abend ein Ort, an dem Trauer sein darf – ohne dass sie alles erdrückt.

«Ich verehre meine Frau noch immer», sagt einer der Männer am Ende. «Aber ich habe jetzt auch neue Bekannte. Und Enkel. Ich reise viel. Nicht, weil ich die Freiheit genieße, eher als Ablenkung.» Ein anderer nickt. Dann schaut er auf seine Lasagne. «So schlecht schmeckt das Leben nicht, wenn man es teilt.»

Am Ende wird gemeinsam gespült. «Ist irgendwie wichtig», sagt einer. «Sonst bleibt so viel stehen.» Er meint die Töpfe. Aber wohl auch das, was nicht gesagt werden kann. Vielleicht ist das die schönste Form von Hoffnung: dass etwas weitergeht, ohne zu vergessen.

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