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Corona-Satire «Eddington»: Eine Kleinstadt versinkt im Chaos

20.11.2025, 07:11

Er schockierte das Kinopublikum mit den Horrorfilmen «Hereditary» und «Midsommar» und ließ viele Zuschauer mit seinem bizarren Epos «Beau Is Afraid» ratlos zurück. Jetzt präsentiert Filmemacher Ari Aster mit «Eddington» seinen nächsten unbequemen Film. Joaquin Phoenix und Pedro Pascal spielen in der chaotischen Mischung aus Satire, Politdrama und Thriller politische Rivalen, deren Streit während der Corona-Pandemie eskaliert. 

Sheriff Joaquin Phoenix vs. Bürgermeister Pedro Pascal

Joe Cross (Joaquin Phoenix) ist der Sheriff der fiktiven Kleinstadt Eddington, einem tristen Nest in New Mexico. Joe ist ein schlichter, bodenständiger Typ, der wenig Souveränität ausstrahlt. Seine Frau Louise (Emma Stone) hat psychische Probleme. Wegen des Lockdowns lebt zum Leidwesen von Joe auch seine Schwiegermutter Dawn (Deidre O'Connell) mit dem Paar im Haus. Sie verbringt die meiste Zeit im Internet und glaubt jeder Verschwörungstheorie.

Eddingtons Bürgermeister ist der charismatische Ted Garcia (Pedro Pascal), ein alleinerziehender Vater und Selbstdarsteller, der einst für kurze Zeit mit Joes Frau Louise liiert war. Garcia will am Stadtrand von Eddington ein gigantisches Serverzentrum entstehen lassen, das wirtschaftlichen Aufschwung bringen soll. Wegen des hohen Strom- und Wasserverbrauchs sind viele Bewohner jedoch dagegen - nicht das einzige Streitthema im Ort.

Maskenstreit und «Black Lives Matter»-Proteste

Aus privaten Spannungen wird bald ein politischer Kleinkrieg. Garcia ist ein vehementer Verfechter der Maskenpflicht und anderer Corona-Regeln. Hingegen ist Joe, der an Asthma leidet, erklärter Maskengegner. Er fühlt sich vom Staat - und von Garcia - bevormundet und weigert sich, etwa im Supermarkt eine Maske zu tragen. Es kommt zu hitzigen Diskussionen.

Joe beschließt, gegen seinen Erzfeind für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren und macht den Kampf gegen Maskenpflicht und Datenzentrum zum Inhalt seines Wahlkampfs.

Etwa zeitgleich beginnen Jugendliche in Eddington, «Black Lives Matter»-Proteste zu organisieren und die Polizei zu beschimpfen. Der einzige Schwarze in dem Kaff ist allerdings der Polizist Michael (Micheal Ward). In dieser Zeit kommt der opportunistische Sektenführer Vernon Peak nach Eddington. Louise ist fasziniert von ihm. Austin Butler ist als Vernon höchst unterhaltsam – und beängstigend nah an der Realität.

Bald gerät die Situation außer Kontrolle. Unruhen und gleich mehrere Morde erschüttern die kleine Wüstenstadt. Die Ermittlungen werden erschwert, weil außerhalb der Stadtgrenze andere Kompetenzen gelten als innerhalb - und weil Joe wenig Interesse hat, mit der anderen Seite zu kooperieren. Die Gewalt in Eddington eskaliert immer mehr.

Wer erinnert sich gern an die Corona-Zeit?

An die Pandemie-Zeit möchte sich eigentlich kaum jemand erinnern – geschweige denn, sie als Filmstoff erleben. In «Eddington» ist das anfangs allerdings noch amüsant. Der Film beginnt als zynische Satire auf eine verunsicherte Gesellschaft, in der gesunder Menschenverstand dem Dauerempörungsmodus gewichen ist. 

Beispielhaft ist die Szene, in der Joe Cross außerhalb der Stadtgrenze von zwei dortigen Polizisten aufgefordert wird, seine Maske aufzusetzen, obwohl er mitten in der Wüste allein im Auto sitzt.

Mit bissigem Humor zeigt Ari Aster überforderte Ordnungshüter, selbstgerechte Aktivisten, verlogene Mitläufer - und weiße Teenager, die sich unter Tränen für ihre Hautfarbe entschuldigen. Dabei bezieht er keine Seite und teilt seine Figuren nicht in gut und böse ein.

Eddington ist ein Mikrokosmos, in dem politische Hysterie, die Wirkung sozialer Medien und persönliche Kränkungen das Klima vergiften - eine Gesellschaft im Kontrollverlust, in der jeder glaubt, im Recht zu sein, und niemand mehr zuhört. Ein überzeichnetes Spiegelbild des modernen Amerika.

Eine Geschichte, in der es nur Verlierer gibt

Oscar-Preisträger Joaquin Phoenix («Joker») liefert wieder einmal eine großartige Performance. Hingegen kommen Pedro Pascal und die zweimalige Oscar-Gewinnerin Emma Stone («La La Land», «Poor Things») in «Eddington» weniger zur Geltung, weil ihre Charaktere zu oberflächlich sind.

Visuell überzeugt der Film dank der eleganten Bilder des erfahrenen, französischen Kameramanns Darius Khondji («Panic Room», «Midnight In Paris»), die «Eddington» die Aura eines modernen Westerns geben.

Aber Ari Aster verlangt dem Publikum einiges ab. Mit einer Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden ist der Film zu lang - und er wirkt überfrachtet. Es gibt zu viele Figuren und Nebenschauplätze. Das ist ermüdend. Manche Handlungsaspekte führen ins Leere und hinterlassen Fragezeichen. So kommt etwa das Thema Missbrauch zur Sprache, wird aber nicht weiter verfolgt.

Der dramatische, genial gefilmte Showdown wäre normalerweise packend. Das Problem ist, dass man vieler Charaktere zu diesem Zeitpunkt im Film schon überdrüssig ist. Sympathisch ist nämlich irgendwann niemand mehr in dieser alptraumhaften Geschichte, in der es eigentlich nur Verlierer gibt.

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