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Drei Lehren aus dem Kirchentag in Hannover

04.05.2025, 04:05

Fünf Tage Kirchentag gehen zu Ende: Zehntausende Besucher haben seit Mittwoch in Hannover gefeiert und sich über ihren Glauben, ihr Leben und die Politik ausgetauscht – unterstützt von hochrangigen Gästen wie Noch-Kanzler Olaf Scholz und Altkanzlerin Angela Merkel. 

Diesen politischen Anspruch wollte sich der evangelische Kirchentag keineswegs nehmen lassen, machte Präsidentin Anja Siegesmund angesichts der von CDU-Politikerin Julia Klöckner entfachten Diskussion über die politische Rolle der Kirche von Beginn an klar. 

Rund 65.000 Tickets wurden bis zur Eröffnung des Kirchenfests verkauft, am Ende sollten es bis zu 100.000 werden, hofften die Veranstalter. Das wären gut 30.000 mehr als 2023 in Nürnberg. In Hannovers Innenstadt, wo die Podien und Konzerte auch ohne Ticket besucht werden konnten, kamen zeitweise sogar rund 150.000 Menschen zusammen, meist begleitet von bestem Sommerwetter.

24 Millionen Euro investierte der Kirchentag dafür, rund zur Hälfte finanziert mit Steuergeld. Bevor der Kirchentag 2027 nach Düsseldorf und 2029 nach Hamburg weiterzieht, drei Erkenntnisse aus dem Protestantentreffen:

1. Die evangelische Kirche mischt sich ein

Der Kirchentag als Laienbewegung machte ebenso wie Vertreter der EKD deutlich, dass sie sich nicht den Mund verbieten lassen. Hatte Klöckner, inzwischen Bundestagspräsidentin, beklagt, die Kirche riskiere, beliebig zu werden, wenn sie ständig zu tagesaktuellen Themen Stellung nehme, betonte Kirchentagspräsidentin Siegesmund: «Christlicher Glaube ist politisch.» EKD-Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich warnte davor, geistliches Leben und christliches Positionieren gegeneinander aufzurechnen.

Auf dem Kirchentag trafen Klöckner und Siegesmund auch direkt aufeinander. Klöckner erneuerte dabei ihre Kritik, dass die Kirche ihr in großen Sinnfragen «an der ein oder anderen Stelle zu leise» sei. Zwar sagte sie: «Natürlich müssen sich Christen auch politisch äußern.» Klöckner schränkte jedoch ein, die Kirche könne zwar Partei ergreifen, «aber sie darf keine Partei sein». Denn die Kirche müsse über das hinausweisen, was Parteien tun.

Viele weitere Diskussionsrunden untermauerten den politischen Anspruch: Der geschäftsführende Kanzler Scholz warnte vor einem vorschnellen AfD-Verbotsverfahren, Vorgängerin Merkel verteidigte ihren Migrationskurs und übte Selbstkritik in Sachen Klimaschutz. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte die Diskussionen beim Kirchentag als eine «ganz, ganz seltene Chance, dass wir uns aus unseren ideellen Fertighäusern herausbegeben». 

Auch kontroverse Themen wie Deutschlands Waffenlieferungen an die Ukraine, der Nahostkonflikt oder sexualisierte Gewalt in der Kirche kamen gezielt zur Sprache. Vertreter von AfD und BSW waren indes nicht eingeladen.

2. Verteidigung und Pazifismus bleiben ein Spannungsfeld

Eine ökumenische Friedenssynode um die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann appellierte: «Es wird gesagt, wir müssten kriegstüchtig werden und Frieden durch Aufrüstung sichern. Wir aber wollen friedensfähig werden.» Dieser «Friedensruf» solle als Impuls in die Gemeinden gehen, «damit nicht mehr geschwiegen wird in unserer Kirche», sagte Käßmann.

Kirchentags-Generalsekretärin Kristin Jahn hingegen sagte auf die pazifistischen Forderungen angesprochen, man könne der Ukraine auch sagen, «lasst euch mal erschießen» – mache damit aber nur Tyrannen groß.

Gerne hätte man hierzu auch Einschätzungen der kommenden Bundesregierung gehört. Doch sowohl CDU-Chef Friedrich Merz als auch SPD-Chef Lars Klingbeil sagten ihre Auftritte ab. Klingbeil hätte mitdiskutiert zum Thema «Deutsche Zerrissenheit – Mit Waffen Frieden schaffen?».

3. Hannover kann Partymeile

Niedersachsens Landeshauptstadt gilt als dröge – und die meisten Bewohner sind bescheiden genug, an diesem Ruf nichts zu ändern. Welche Vorzüge die Stadt trotzdem bietet, erlebten die vielen Besucher des Kirchentags hautnah, unterstützt vom fast durchgängigen Dauer-Sonnenschein. 

Musizierende Helfer in der U-Bahn, spontane Basketball-Partien auf gesperrten Straßen und große Konzerte mit Stars wie Gentleman oder Jupiter Jones zeigten, was für ein Lebensgefühl in Hannover möglich ist.

Zusätzliche Überwachungskameras, Drohnenverbote und Poller sollten die Sicherheit gewährleisten. Nach Angaben der Polizei verliefen die ersten Tage ohne besondere Vorkommnisse. Die Stimmung war fröhlich und friedlich.

Für den Kirchentag war der Veranstaltungsort zudem eine Rückkehr zu den Wurzeln: 1949 fand die erste Auflage des Protestantentreffens ebenfalls in Hannover statt, gegründet wurde er damals als Reaktion auf die Zeit des Nationalsozialismus und den fehlenden Widerstand der Amtskirche in dieser Zeit. Insgesamt war es der fünfte evangelische Kirchentag in Hannover.

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