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Ex-Vizekanzler Habeck verlässt den Bundestag
Der frühere Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen zieht sich aus dem Bundestag zurück. «Ich habe an diesem Montag dem Bundestagspräsidium mitgeteilt, dass ich zum 1. September mein Bundestagsmandat zurückgeben werde», sagte der 55-Jährige, der Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl gewesen war, der «taz». Führende Grünen-Politiker bedauerten den Abschied und würdigten seine Arbeit.
«Abstand vom Politikbetrieb gewinnen»
Habeck sagte der «tageszeitung» zu seinen Zukunftsplänen: «Ich werde an verschiedenen ausländischen Forschungs- und Bildungseinrichtungen forschen, lehren und lernen.» Er nannte das Dänische Institut für Internationale Studien in Kopenhagen und die Universität Berkeley in Kalifornien. Er müsse «Abstand zu dem zu engen Korsett des Berliner Politikbetriebs gewinnen». Und zwar auch, um zu empfangen «und nicht gleich weiter zu senden wie die letzten Jahre».
Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge dankten Habeck. Er habe die Grünen in den vergangenen Jahren geprägt wie kaum ein anderer. Als Minister habe er nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine die Energieversorgung gesichert und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu einer Erfolgsgeschichte gemacht. Die Parteichefs Felix Banaszak und Franziska Brantner hoben Habecks verbindlichen, offenen und dialogischen Stil hervor und erklärten: «Sein Platz wird inmitten der grünen Partei bleiben.»
Zögern nach dem mauen Wahlergebnis
Bereits nach dem enttäuschenden Wahlergebnis von 11,6 Prozent hatte Habeck im Februar zunächst offen gelassen, ob er sein Mandat wahrnimmt. Der 55-Jährige verteidigte sein Agieren als Kanzlerkandidat. Die Verantwortung für das maue Abschneiden der Grünen sah er im Wesentlichen bei den Wählerinnen und Wählern, nicht bei sich. Am Tag nach der Wahl gab er seinen Rückzug aus der ersten Reihe bekannt. Zehntausende forderten in einer Online-Petition seinen Verbleib in der Politik. Habeck wurde Mitglied des Auswärtigen Ausschusses.
«Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen: Ganz oder gar nicht, also mit dem Amt auch aus dem Mandat ausscheiden», sagte er nun der «taz». Wegen der Petition habe er sich Zeit zum Überlegen genommen. Entschieden habe dann der Moment, als Kanzler Friedrich Merz (CDU) in einer Regierungserklärung «quasi meine Wahlkampfrede gehalten» habe, in Zeiten der Krisen die Schuldenbremse zu lockern, um Verteidigung und Infrastruktur zu finanzieren.
«Kein zynischer Kommentator sein»
«Ich saß im Plenum und habe geklatscht und gelacht», sagte Habeck. Er fügte aber hinzu: «Ich will weder ein höhnisch-zynischer Kommentator sein, noch will ich wie ein Gespenst über die Flure laufen und sagen: Früher war ich mal Vizekanzler, erinnert ihr euch?» Seine Entscheidung begründete Habeck auch damit, dass nicht nur die Ampel-Koalition, sondern auch seine Idee abgewählt worden sei, die Grünen in die gesellschaftliche Mitte zu führen, um angesichts der schrumpfenden beiden Ex-Volksparteien «das Zentrum zu stabilisieren».
Wie zuvor schon Ex-Außenministerin Annalena Baerbock zieht sich nun Habeck aus der Bundespolitik zurück, der über Jahre einer der profiliertesten Grünen-Politiker war. In der Ampel-Koalition mit SPD und FDP war er Vizekanzler. Als Wirtschaftsminister machte er sich um die Energieversorgung in der Krise nach dem großangelegten Angriff Russlands auf die Ukraine verdient. Die Wende kam für ihn mit dem umstrittenen Heizungsgesetz, es folgten monatelange Negativ-Schlagzeilen, der Koalitionspartner FDP setzte ihn unter Druck.
Kritik an Ministerbilanz
Zuletzt kreidete ihm die Opposition die schlechte Wirtschaftslage an, die Habeck weitgehend auf äußere Einflüsse wie den Ukraine-Krieg zurückführte. Seiner Forderung nach weitreichenden Investitionen kommt nun ausgerechnet eine Regierung unter Führung der Union nach, die ihn dafür scharf angegriffen hatte. Schon 2021, noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, verlangte Habeck Waffenlieferungen an das Land - zum Unwillen seiner Partei.
Für Habeck in den Bundestag nachrücken soll die 26-jährige Mayra Vriesema aus Schleswig-Holstein. Die Masterstudentin der internationalen Politik und des internationalen Rechts hatte bei der Wahl auf Platz fünf der Landesliste kandidiert. Habeck gab sein Bundestagsmandat bei Vizepräsident Omid Nouripour (Grüne) zurück, wie er in dem Interview der «taz» sagte.
Attacken auf Klöckner und Söder
Auf die Frage, ob es noch ein Abschlussgespräch mit Bundestagspräsidentin Julia Klöckner gebe, antwortete Habeck: «Ich hoffe nicht.» Der CDU-Politikerin gab er zum Abschied noch harsche Worte der Kritik mit und bezeichnete sie als Fehlbesetzung: «Sie war noch nie in der Lage, Dinge zusammenzuführen. Sie hat immer nur polarisiert, polemisiert und gespalten.»
Überhaupt sei die Option Schwarz-Grün von der Union «verächtlich gemacht und zerstört» worden, konstatierte Habeck und sagte über den CSU-Chef: «Dieses fetischhafte Wurstgefresse von Markus Söder ist ja keine Politik.»
Aus Schleswig-Holstein nach Berlin
Habecks Karriere hatte in Schleswig-Holstein begonnen, wo er sechs Jahre Minister und Vize-Ministerpräsident war. 2018 kam der Wechsel nach Berlin, an die Spitze der Grünen, die er mit Annalena Baerbock bis 2022 führte. Beide wollten die Grünen für Parteien der Mitte anschlussfähig machen. Bei der Wahl 2021, als die Grünen von großem Rückhalt für den Klimaschutz profitierten, sicherte sich Baerbock die Kanzlerkandidatur, Habeck musste zurückstehen.
Habeck, der bei Flensburg wohnt, hat ein Faible für das Nachbarland Dänemark. Von politischen Gegnern wurde er oft als «Kinderbuchautor» geschmäht. Tatsächlich ist er Autor mehrerer politischer Sachbücher, studierte Philosophie und Sprachwissenschaften und promovierte. Mit seiner Frau, mit der er vier Söhne hat, schrieb er Romane und Kinderbücher. Der redegewandte Habeck erregte mehrfach mit Video-Ansprachen zur politischen Lage Aufsehen.
Endgültiger Abschied von der Politik?
Ab Oktober plant er eine Gesprächsreihe unter dem Titel «Habeck live» am Berliner Ensemble, wie bereits zuvor angekündigt worden war. Der «taz» sagte er: «Ich gebe mein Mandat auf, aber das ist kein Rückzug aus dem politischen Diskurs. Wenn ich glaube, Interessantes beitragen zu können, werde ich das sagen.» Auf die Frage, ob er mit der Spitzenpolitik nun für immer oder nur für den Moment abgeschlossen habe, sagte er: «Was ich jetzt tue, tue ich nicht taktisch.» Und: «Wohin mich der Weg durchs Offene führt, weiß ich nicht.»