Corona-Krise: Comeback des Autokinos in München

Es ist Montag, der 11. Mai. Wir sitzen in einem Opel Crossland, umringt von hunderten Gleichgesinnten, ebenfalls in ihren Autos – so ist es kein Problem, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Einige Meter vor uns tanzt Joaquin Phoenix im roten Anzug über die Leinwand. Für viele Anwesenden ist dies der erste richtige Ausgeh-Abend seit einiger Zeit – für uns ebenso. Eindeutig ein tolles Gefühl. Es scheint, als habe die Corona-Krise einen totgeglaubten Trend wiederbelebt: das Autokino. Der aktuelle Stand sieht so aus: In sechs deutschen Bundesländern wurden Auto-Events bereits erlaubt. Das bedeutet auch, dass nicht zwingend ein Kinofilm auf der Leinwand flimmern muss. Denkbar ja, doch das Konstrukt „Autokino“, das den gebotenen Corona-Abstand einhalten lässt, lässt sich auch anderweitig nutzen – um Filme zu zeigen, Musiker auftreten zu lassen, Techno-Partys zu feiern und sogar, um sich das Ja-Wort zu geben.

Abbildung 1: pixabay.com © beejes (CC0 Public DomainDas Autokino ist das Konstrukt, das in der neuen Lebenswelt nach dem Corona-Shutdown vielseitig zum Einsatz kommen könnte – um Filme zu kucken, Musik- und Kulturveranstaltungen zu besuchen oder sogar, um sich vor einer größeren Menschenmenge das Ja-Wort geben zu können.

Das Autokino in Aschheim ging als Erstes an den Start, beim Zenith soll das Zweite öffnen

Am 8. Mai meldete die Süddeutsche Zeitung: Autokino Aschheim öffnet. Bereits am Montag darauf konnten dort die Filmfans der Hauptstadt Bayerns „Joker“, „Nightlife“ und „Die Känguru Chroniken“ ansehen. Für den Betreiber des Aschheimer Kinos war die Umstellung auf Corona-Bedingungen noch vergleichsweise leicht machbar: Es gilt die Höchstbelegung von zwei Personen im Auto nicht zu überschreiten, Tickets gibt es kontaktlos im Vorverkauf, Snacks müssen mitgebracht werden, denn die Snackbar hat noch geschlossen. Während die Betreiber des Aschheimer Kinos sich über die Möglichkeit freuen, wieder eröffnen zu können, scheint das Autokino immer häufig als Corona-Alternative begriffen zu werden – auch von anderen Akteuren.

Auch andernorts tun sich in der Hauptstadt also Möglichkeiten auf, beispielsweise auf Initiative der Film-Start-ups Junique Productions. Simon Pirron und Veronika Faistbauer, die sich noch aus Studientagen kannten, nutzen die Zeit, in denen ihre Hauptjobs Corona-bedingt unausführbar waren, und machten sich auf die Suche nach einer Location und dem nötigen Equipment. Fündig wurden sie im Münchner Stadtteil Freimann – dort wo sich das Zenith, ein beliebter Veranstaltungsort der Stadt, befindet. Nicht etwa die Halle interessierte die jungen Unternehmern, sondern der dazugehörige Großparkplatz, auf dem 230 Autos Platz hatten, der Bekanntheitsgrad der Halle und die sanitären Anlagen, die zur Verfügung standen.

Was sie davon abhielt, noch im April zu eröffnen, waren vor allem die bürokratischen Mühlen, die in Zeiten von Corona auch nicht schneller mahlen als sonst. Im Mai gab es dann das Go für das neue Pop-Up-Autokino in der bayerischen Hauptstadt – inklusive einer Genehmigung diese Alternative zu den klassischen Lichtspielhäusern bis Ende August betreiben zu dürfen. Als erstes sollen „Das perfekte Geheimnis“, „Rossini“ und „Monaco Franze“ auf der Pop-Up-Leinwand flimmern, heißt es. „Hereditary“ und „Drive“ werden folgen.

Wäre die Münchner Theresienwiese nicht auch eine Option?

Abbildung 2: pixabay.com © Alexas_Fotos (CC0 Public DomainBleibt Bavaria verwaist oder gibt es eine Alternative zum Oktoberfest, das heuer wegen Corona nicht stattfinden kann?

Durchaus gibt es in München noch weitere Locations, die für versierte Veranstalter (beispielsweise auch die Messe München) infrage kommen könnten – fest steht hier allerdings noch nichts.

Als Location denkbar wäre die Theresienwiese, auf der nun nicht wie geplant das berühmte Oktoberfest stattfinden kann. Wegen Corona. Ob die potentiellen Organisatoren eines  weiteren Autokinos in der Stadt ihre Wünsche für diesen bekannten Ort in der Stadt auch durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Kritik für diese Idee gibt es nämlich sowohl von Initiativen als auch von Lokalpolitikern, denn die Ideen für die Theresienwiese sahen eine bürgernahe, ökologische oder kulturelle Nutzung vor, nicht aber ein Autokino.

Eine Absage für die Theresienwiese erhielten direkt mehrere Veranstalter mit der Begründung, ein Autokino bringe noch mehr Verkehr in die Stadt – und das sei nicht gewünscht. Dass es am Konzept „Autokino“ liege, sei hingegen eher abwegig, schließlich bekamen auch die Initiatoren des Kreativzamm-Festivals einen Korb. Dabei sollten unter diesem Label nicht nur Kinofilme auf der Leinwand flimmern, sondern auch Lesungen, Konzerte und Kabaretts veranstaltet werden. Die Idee dazu kam übrigens von einem anderen Kinobetreiber, von Reinhard Straßer, dem Chef des Kinos am Olympiasee. Dieser hat allerdings nicht nur ein Auge auf die Theresienwiese geworfen, sondern gab gegenüber der Süddeutschen Zeitung auch an, noch weitere Standorte im Blick zu haben.

Das Autokino. Ein alter Klassiker mit langer Tradition

Dass das Autokino keine neue Erfindung ist, das wissen viele. Doch woher die Kombination stammt und wie alt sie wirklich ist, das wissen die Wenigsten. Online heißt es: „1933 wurde in den USA das erste Autokino eröffnet.“ In Deutschland soll es in den besten Autokino-Zeiten gerade mal 40 Anlagen gegeben haben. Überlebt haben immerhin 18 Autokinos deutschlandweit. Mit der Einstellung des regulären Betriebs der Lichtspielhäuser hat ein Umdenken in der Kino-Branche stattgefunden – und die Suche nach Locations, Pop-Up-Leinwänden und Genehmigungen hat begonnen. In München gibt es bereits heute zwei Optionen – in Aschheim und in Freimann. Und ganz langsam entwickeln sich auch weitere, mutigere Ideen, die auch Open Air möglich sind, aber in puncto Abstandsregelung durchaus schwerer zu kontrollieren sein dürften. Die Rede ist von Freiluftkinos, die ohne den „schützenden“ Raum eines Autos auskommen und nur ein klein wenig unromantischer sind als Autokinos.