Dolce Vita in München – Eine ganz besondere Liebesbeziehung

Mediterranes Lebensgefühl in der nördlichsten Stadt Italiens

Pasta, Rotwein, Sonnenbrille – überfüllte Cafés, laue Sommernächte und Blau-Weißer Himmel. Moment – Blau-Weiß? Wir befinden uns nicht in Italien, sondern inmitten der bayerischen Landeshauptstadt. Häufig als nördlichste Stadt Italiens bezeichnet, findet sich auch in München dieses ganz besondere mediterrane Flair, welches viele so schätzen. Ein Blick hinter die ganz besondere deutsch-italienische relazione amorosa.

Insider behaupten, in München gebe es mehr italienische Restaurants als in Siena und Florenz zusammen. Und tatsächlich lieben es die Menschen hier, abends die italienische Küche und das eine oder andere Gläschen Wein im Kreise der Freunde zu genießen. Nicht nur durch die geographische Nähe zum Stiefel besteht jedoch dieses ganz spezielle Verhältnis zum italienischen Dolce Vita.

Ein Blick in die Vergangenheit

Als in den 60er Jahren im Zuge des deutsch-italienischen Anwerberabkommens die ersten Gastarbeiter aus dem bis dato „fernen“ Land nach Deutschland kamen, war Verona die entsprechende Anlaufstelle mit einer Niederlassung der Deutschen Kommission. Das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum in Venetien hat 1960 mit München eine Städtepartnerschaft besiegelt.

Zunächst waren es hauptsächlich die Männer, die dem Ruf nach Arbeit und Geld gefolgt sind und sich unter anderem in München angesiedelt haben. Doch ohne Pizza und Pasta war die Sehnsucht nach der Heimat einfach zu groß. Bald darauf wurden die ersten italienischen Lokale eröffnet und die Spezialitäten der dortigen Küchen haben ihren Siegeszug in Deutschland angetreten.

Die Frauen und Familien folgten und mit ihnen eine ganze Reihe kultureller Besonderheiten, die aus der südlichen Heimat einfach hierher mitgebracht worden. Als das Reisen günstiger wurde, bot es sich für die Münchner geradezu an, über die Alpen ans nahegelegene Meer zu fahren. Vor allem der Bau der Brennerautobahn, die Verona zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Norden des Landes machte, trug dazu bei, dass die beiden Länder noch mehr zusammenwuchsen.

Stationen der italienischen Einwanderung

  • 20. Dezember 1955: Unterzeichnung des Anwerberabkommens mit Italien
  • Erstes Anwerberabkommen für Deutschland, vierzehntes Abkommen für Italien
  • Gleis 11: Der Münchner Hauptbahnhof mit seiner Weiterleitungsstelle ist die erste Anlaufstelle auch für Migranten die in andere Teile Deutschlands weitergezogen sind.
  • Jobs in München: Die Gastarbeiter aus Italien arbeiten bei BMW, MAN, Krauss-Maffei oder an der Olympia-Großbaustelle
  • 1959: La Dolce Vita -  der Film Federico Fellinis wurde zum geflügelten Wort für die italienische Lebensart
  • 1962: Inzwischen sind in Deutschland 266.000 italienische Einwanderer als Gastarbeiter registriert.
  • 2010: Zum 50. Jubiläum der Städtepartnerschaft startet der Giro d’ Italia in München
  • Über 25.000 Italiener leben heute offiziellen Angaben zufolge in der bayerischen Landeshauptstadt.

Kulinarische Nachhilfe

Nicht nur Pizza und Pasta haben Einzug in die bajuwarischen Essensgewohnheiten gehalten. Auch bei den Getränken gab es neue Köstlichkeiten aus dem sonnenverwöhnten Italien zu entdecken. Vor allem die verschiedenen Kaffeespezialitäten waren so vorher noch nicht bekannt. Heute sind Espresso, Cappuccino und Latte Macchiato nicht mehr aus der Münchner Gastronomieszene wegzudenken.

Auf sämtlichen Plätzen und entlang der Straßenzüge sitzen bei passendem Wetter dann die Anhänger der Freiluftkultur und schlürfen in südländischem Ambiente ihren Caffè. Aber auch andere Spezialitäten, die den Deutschen aus dem Urlaub in Erinnerung geblieben waren, verbreiteten sich zunehmend auch nördlich der Alpen.

Nach italienischem Vorbild: Die Feldhernnhalle am Odeonsplatz ist der Loggia die Lanzi in Florenz nachempfunden. Bild: Fotolia, © anshar73

Der Rotwein etwa war im weißbierlastigen München erst einmal ein Novum. Zunächst wurde vor allem der süffige Lambrusco getrunken. Nach und nach gewöhnten sich die deutschen Gaumen an den herben Traubensaft und es fanden weitere Sorten wie Chianti oder Montepulciano ihren Weg in die heimischen Getränkekeller.

Heute ist die Rotweintaverne nicht mehr aus dem kulinarischen Stadtplan Münchens wegzudenken. Abends ein Glas mit den Freunden zu trinken bedeutet hier schon lange nicht mehr, gemeinsam ein Maß Bier zu stemmen. Von der italienischen Handelskammer wurden bislang sogar 23 Restaurants im Großraum München mit der Auszeichnung „Ospitalità Italiana“ geehrt. Die Gastronomiebetriebe erhalten diese Zertifizierung aufgrund ihrer Authentizität - was sowohl die angebotene Küche als auch das Ausschenken italienischer Weine wie dem Chianti oder Montepulciano aus der Toskana anbelangt. Die Auszeichnung gewährleistet, dass vor allem italienische Qualitätsprodukte auf die Teller und in die Gläser kommen.

Italienisches Lebensgefühl an der Isar: Zahlreiche Plätze laden zum Genießen des Dolce Vita ein. Bild: Fotolia, © ah_fotobox

München am Meer

Früher wie heute sorgen die kulinarischen Köstlichkeiten aus dem Bel Paese dafür, unsere Sehnsucht nach Meer und Sonne zu stillen. Der Geschmack des Südens ermöglicht es uns, auch hierzulande das italienische Lebensgefühl aus dem Urlaub zu kultivieren. Und mit geschlossenen Augen fühlt es sich am Ufer der Isar mit zart plätschernden Wellen beinahe so an wie am Meer.

Strände gibt es dabei auch in München am Fluss mehr als genug. Und für das spezielle mediterrane Flair muss es nicht einmal einer aus Sand sein. Im Sommer kann dann dank des sonnenverwöhnten voralpenländischen Klimas der Urlaubsbräune auch zuhause auf die Sprünge geholfen werden. So macht der hippe Münchner gleich eine viel bessere bella figura auf seinem Bianchi Rennrad.  

Bademöglichkeiten – manchmal sogar tatsächlich mit Sandstrand – stets jedoch mit etwas mehr Platz als innerhalb der Stadt gibt es an zahlreichen Seen im Umland:

  • Fasaneriesee: Im Norden gelegen und sogar mit der S-Bahn erreichbar (S1 bis zur Haltestelle „Fasanerie“).
  • Pucher Meer: Kleiner See mit echtem Sandstrand südlich von Fürstenfeldbruck – mehr Meer geht nicht!
  • Stoibermühle: Familienfreundlicher See mit Möglichkeiten zum Surfen (Landkreis Freising).
  • Steinsee: Idyllischer See inmitten eines Naturschutzgebietes südlich von München (Landkreis Ebersberg).

Romeos Julia in München

In Verona soll vom Balkon der „Casa die Giulietta“ Romeo einst seiner Geliebten Julia die ewige Liebe geschworen haben. Eine Skulptur vor dem Haus erinnert an Shakespeares berühmtes Drama. 1974 wurde im Rahmen der Städtepartnerschaft auch in München eine Julia‑Statue aufgestellt. Das Symbol der Liebe am Alten Rathaus ist seitdem ein Touristenmagnet. Bei den Markfrauen könne Blumen gekauft werden, die ihr unter den Arm geklemmt werden, um somit das Glück in der Liebe zu beschwören. Auch der Brauch, der Statue dabei an die Brust zu fassen, hat sich aus Italien unter den Liebessuchenden herumgesprochen.

Eine weitere Kopie der Originalskulptur vom veronesischen Capulethaus steht etwas abseits des Zentrums am Shakespeareplatz – einer kleinen Grünanlage in Bogenhausen. Auch hier wird die Statue regelmäßig mit Blumengaben geschmückt.

Lecker Gelato – Paradies für Eisliebhaber

Auch in Punkto Eisdielen kann München wie kaum eine andere Stadt in Deutschland punkten. Dabei sind die meisten der Gelaterias in festen italienischen Händen. Zudem befindet sich eine der ältesten Eisdielen Deutschlands in München. Das Sarcletti in der Nyphenburgerstraße verkauft seit 1879 selbstgemachtes Speiseeis und ist eine feste Institution.

Stracciatelle, Zabaione und Co.: Leckere Eiscreme hat sich als kulinarischer Import aus Italien hierzulande fest etabliert. Bild: Fotolia, © TravelPhotography

Die zartschmelzende Köstlichkeit mit exotischem Frucht- oder cremigem Vanillegeschmack verkörpert wie kaum etwas anderes das italienische Lebensgefühl. Zahlreiche italienische Begriffe haben über den Weg der Eiscreme Einzug in unseren Sprachgebrauch gefunden. Von Stracciatella über Baci und Amarena sind heute die landestypischen Sorten auch hierzulande bekannt. In ein paar der Münchner Gelaterias wird inzwischen das Eis auch nicht mit dem Portionierer auf die Waffel gedrückt, sondern ganz nach ursprünglicher Art und Weise mit einem Spachtel zurechtgeformt.

Und heute?

Nach der Einwanderungswelle der Nachkriegszeit sind viele italienische Familien hier heimisch geworden. Viele von Ihnen sind jedoch im Zuge ihrer Rente auch wieder zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt. Mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Stiefelstaat kommen heute jedoch vermehrt junge Menschen nach Deutschland, die hier eine berufliche Perspektive suchen.

Um 37 Prozent ist die Zahl der italienischen Germanistik Studenten laut der „Associazione Italiana di Germanistica“ seit 2011 gestiegen. Immer mehr Studenten oder auch gut ausgebildete Arbeiter versuchen hier einen gut bezahlten Job zu bekommen. Bei den unter-30-Jährigen beträgt die Arbeitslosenquote in Italien bereits fast 40 Prozent.

München ist als Standort ein beliebtes Ziel, denn es liegt immer noch günstig und ist nicht so weit entfernt. Und das bajuwarische Dolce Vita macht es dabei leichter, sich auch hier zuhause zu fühlen. Anders als ihre Landsmänner zur Zeit des Wirtschaftswunders finden sie bereits eine passende Infrastruktur vor. Die deutschstämmigen Italiener der ersten Generation sind größtenteils bestens integriert. Und die Arbeitsmöglichkeiten sind zu Zeiten der offenen Grenzen um einiges flexibler als früher.

Stand 2017