Zweite Stammstrecke – heute geht's los

05.04.2017, 05:04

Heute starten offiziell der Bau der zweiten S-Bahn Stammstrecke in München, dem derzeit größten bayerischen Verkehrsprojekts. Oberbürgermeister Dieter Reiter wird um 15 Uhr den ersten Offiziellen Spatenstich am Marienhof machen. Insgesamt dauert der Bau an der neuen S-Bahn-Röhre rund neun Jahre und kostet fast vier Milliarden Euro. 

Passend zum Startschuss gibt veranstaltet die Bahn heute ab 17 Uhr ein großes Bürgerfest mit Live-Musik und Schlemmermeile der Innenstadtwirte. Bis 21 Uhr geht die Party, die dann auch morgen ab 14 Uhr nochmal weitergeht. Auch die Gegner werden nochmal auf sich aufmerksam machen. Auf dem Marienplatz ist eine Demo gegen den Milliardenbau geplant.

 

Die wichtigsten Fragen zur zweiten S-Bahn Stammstrecke

Warum braucht München eine zweite Röhre, eine zweite Stammstrecke? 

Die Strecke durch die Innenstadt bündelt alle S-Bahn-Linien und ist chronisch überlastet. Die knapp elf Kilometer lange Trasse zwischen Pasing und Ostbahnhof limitiert den Takt - und der ist angesichts des Bevölkerungszuwachses längst an der Kapazitätsgrenze. Derzeit werden rund 840 000 Fahrgäste pro Tag befördert. Beim Bau vor den Olympischen Spielen 1972 war das Netz auf rund 250 000 Passagiere ausgelegt. Außerdem wirken sich Störungen auf der Stammstrecke immer gleich auf das gesamte Netz aus, zum Leidwesen aller Pendler.

Was soll die zweite Stammstrecke konkret bringen?

Geringere Wartezeiten und mehr Zuverlässigkeit: Derzeit fahren 30 Züge pro Stunde und Richtung, mit der neuen Röhre sollen es bis zu 54 werden. Legt eine Störung den S-Bahn-Verkehr in der bisherigen Röhre lahm, soll der neue Tunnel eine Alternative sichern. Laut Bahn gehen Gutachter auch davon aus, dass dann mehr Menschen das Auto stehen lassen und jährlich rund 225 Millionen Kilometer weniger gefahren werden. Damit würden rund 51 800 Tonnen CO2 gespart.

Was wird gebaut - und wie ist der Zeitplan?

Die zehn Kilometer lange neue Stammstrecke entsteht zwischen den Bahnhöfen Laim im Westen und Leuchtenbergring im Osten. Kernstück ist ein sieben Kilometer langer Tunnel mit drei neuen Stationen am Hauptbahnhof, Marienhof und Ostbahnhof. Die Hauptarbeiten beginnen 2018, der Tunnelstich 2019. Die ersten Züge sollen Ende 2026 rollen.

Was kostet das Bauprojekt?

Einschließlich eines Risikopuffers von rund 650 Millionen Euro soll das Mammutprojekt rund 3,85 Milliarden Euro kosten. Ohne Risiken wie höhere Lohn- oder Materialkosten liegen die voraussichtlichen Kosten bei knapp 3,18 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2012 ging der Kostenplan noch von 2,05 Milliarden Euro aus. 

Wer zahlt?

Darüber gab es ein jahrelanges Hick-Hack. Im Dezember wurde die Finanzierung besiegelt: Gut 1,55 Milliarden Euro übernimmt der Bund, der Freistaat Bayern stemmt rund 1,29 Milliarden Euro, die Stadt rund 160 Millionen Euro. Die Bahn beteiligt sich mit rund 180 Millionen Euro. Sollte es über den Risikozuschlag weitere Mehrkosten geben, sei die Aufteilung geklärt, heißt es beim Verkehrsministerium. Demnach übernimmt der Bund 60 Prozent der förderfähigen Kosten. Die Bahn glaubt allerdings, dass es sogar billiger werden kann - sie sieht ein Einsparpotenzial von bis zu 340 Millionen Euro.

Ein Bahnprojekt mitten in der Stadt - könnten Probleme entstehen wie bei Stuttgart 21?

Das Innenministerium beruhigt: Der Bau der zweiten Stammstrecke sei nicht mit Stuttgart 21 zu vergleichen. Während in Stuttgart erhebliche Zeitverzögerungen und dadurch Kostensteigerungen entstanden, weil viele Bürger dagegen waren, gebe es für die Stammstrecke eine große Mehrheit. 

Direkte Anwohner kämpfen dennoch dagegen - warum?

Lärm, Dreck, Bauarbeiten - Anwohner sorgten sich um die jahrelange Belastung durch die Baustelle, den Zugang zu ihren Geschäften, die verstaubten Fenster und auch um die Stabilität ihrer Häuser angesichts der Tunnelgrabung. Immer noch sind ein halbes Dutzend Klagen vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig. Niemand geht aber davon aus, dass das Gericht den Bau stoppen wird. Gerechnet wird höchstens mit zusätzlichen Auflagen für die Bauphase.

Gibt es weitere Kritiker des Projekts?

Ja. Die Grünen im Landtag kritisieren, der neue Tunnel sei die falsche Weichenstellung. Denn die Engpässe der S-Bahn seien vielfach an den Außenästen und nicht nur auf der Stammstrecke. Zudem fehlten wegen des Baus Mittel für andere Projekte. Die Grünen favorisieren einen Ausbau des Südrings als neue Stammstrecke. Damit wäre bis 2030 ein Zehn-Minuten-Takt im S-Bahn-Verkehr sowie die Verdopplung der Fahrgastzahlen auf mehr als 1,5 Millionen am Tag möglich, argumentieren sie. Angesichts des Zuzugs in den Speckgürtel seien die Fahrgastzahlen seit 1973 vor allem außerhalb der Stammstrecke stark gestiegen. Deshalb seien Arbeiten am gesamten Streckennetz nötig. 

Was bringt die zweite S-Bahn-Stammstrecke für die Flughafenanbindung?

Express-Linien auf verschiedenen Strecken sollen Fahrzeiten verkürzen. Zum Flughafen soll halbstündlich eine Express-S-Bahn verkehren, die vom Marienhof zum Airport etwa 28 Minuten braucht. Bisher dauert die Fahrt ab Hauptbahnhof rund 40 Minuten. Stündlich sollen acht S-Bahnen zum Flughafen fahren, derzeit sind es sechs. Teil des Grünen-Konzepts mit dem Südring wäre ebenfalls ein Express, der in knapp 18 Minuten zwischen Hauptbahnhof und Airport pendelt.

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